In 80 Vereinen um die Welt –   Royale Union Saint-Gilloise

In 80 Vereinen um die Welt – Royale Union Saint-Gilloise

In unserer Serie "In 80 Vereinen um die Welt" widmen wir uns dem Besonderen in der oftmals durchgetakteten Fußballwelt: Vereinsmodelle, die kreativ und womöglich sogar etwas abseits der Norm sind werden ebenso ins Rampenlicht gerückt, wie Akademien und Jugendabteilungen, die durch einen speziellen Weg zum Erfolg gefunden haben.

Die Geschichte des Royale Union Saint-Gilloise - große Erfolge und tiefer Fall

Der Vereinsname "Royale Union Saint-Gilloise" zählt wohl zu den am schönsten klingenden im ganzen Fußball und dennoch war der Verein bis vor ein paar Jahren nur absoluten Kennern und Nostalgikern ein Begriff. Im Brüsseler Stadtteil Saint-Gilles beheimatet zählt der Club durch die elf Meistertitel, die bis in die Mitte der 1930er-Jahre erreicht hat, nach wie vor zu den erfolgreichsten in Belgien und belegt den dritten Platz in der Rangliste der Mannschaften mit der höchsten Anzahl an Meistertiteln im Königreich. Als der Verein am 1. November 1897 gegründet wurde, war die Reise nicht abzusehen. Die höchst erfolgreichen Jahre zu Beginn mit den erwähnten Meistertiteln, dazu eine bis heute unerreichte Serie von 60 ungeschlagenen Spielen zwischen 1933 und 1935. Die darauffolgenden Kriegsjahre sollten aber auch beim Hauptstadtklub nicht spurlos vorübergehen. Zwar fand man sich, nicht zuletzt aufgrund der bis dahin vorhandenen Erfolge, in der ersten Liga wieder, der Weg wurde aber zunehmend steiniger. So konnte die Performance der Zwischenkriegszeit nicht aufrechterhalten werden, was nach einigen Jahren sogar einen Absturz in die 4. Liga bedeutete. Mitte der 80er-, der 90er- und 00er-Jahre schaffte man es zwar jeweils in die Zweitklassigkeit zurück, konnte sich dort aber nicht nachhaltig festsetzen.

Der Neuanfang - alles auf Null und Mut zur Innovation

Die große Wende sollte 2014 eingeläutet werden, als Jürgen Baatzsch die Mehrheitsanteile am Verein für einen symbolischen Euro übernahm. Bis dahin war er als Gründer des Elektronik-Discounters "Redcoon", den er an MediaMarkt verkauft hat, bekannt. Etwa ein Jahr vor der Übernahme des Vereins, war der Deutsche zum ersten Mal im Stadion von Saint-Gilloise, dem Stade Joseph Mariën, zu Besuch und fand dieses - und den Verein - in einem desolaten Zustand vor. An diesem Punkt entschied er sich zu helfen, wobei auch Fortuna ihr Händchen im Spiel hatte. Es drohte erneut ein Abstieg in die 4. Liga, der nur nicht eintrat, weil einer der gegnerischen Vereine in die Insolvenz schlitterte und Union dadurch auf den Relegationsplatz rutschte. Die folgenden Relegationsspiele konnten gewonnen und die Weiterentwicklung durch Baatzsch eingeläutet werden. Das Engagement des Deutschen und das Ändern erster Strukturen trugen Früchte und so konnte man 2015 in die 2. Liga zurückkehren. Drei Jahre später verkaufte Baatzsch seine Anteile an den britischen Unternehmer Tony Bloom, der sein Vermögen durch Poker und Sportwetten machte. Er trägt den Spitznamen "Lizard", weil seine kalkulatorischen Fähigkeiten als kaltblütig wie eine Eidechse beschrieben werden. Dieser Umstand war für sein Unternehmen "Starlizard" namensgebend, das anhand von Datenanalysen und Algorithmen die, laut eigener Aussage, "besten Prognosen im Sport" liefert. Bloom besitzt auch den englischen Premier League-Verein Brighton&Hove Albion, für den er die Algorithmen seines Unternehmens schon für Scouting- und Transferangelegenheiten abgewandelt hat.

Die Wiederauferstehung - ein Märchen in blau-gelb

Davon sollte ab sofort auch Royale Union Saint-Gilloise profitieren. Einer der besten, und aus deutscher Sicht auch interessantesten, Transfers war jener von Deniz Undav. Mittlerweile einer der gefährlichsten Stürmer in der Bundesliga, war er einst in der 3. Liga beim SV Meppen engagiert, als die Analysen ihn als Transferkandidaten ausspuckten und die Hauptstädter im Sommer 2020 zuschlugen. Mit 17 Toren in 26 Spielen sollte er auch maßgeblich an der folgenden, höchst erfolgreichen Saison beteiligt sein, die letztendlich im Zweitliga-Meistertitel und der damit verbundenen und lang ersehnten Rückkehr in die 1. Liga nach 48 Jahren endete. Undav, der ablösefrei nach Saint-Gilloise wechselte, konservierte seine Form und schon in 39 Erstligaspielen 26 Tore. Union belegte als Aufsteiger sensationell den 2. Tabellenplatz und der Deutsch-Türke wechselte für 7 Millionen Euro zum "großen Bruder" nach Brighton.

Die Belgier reinvestierten die Ablösesumme nahezu komplett und holten für 6,1 Millionen den nächsten Stürmer, der aktuell in der Bundesliga für Furore sorgt: Victor Boniface. Zwar konnte er Undav - zumindest bei der Torquote - nicht ganz ersetzen, 9 Tore in 37 Ligaspielen, sowie 11 weitere in der Champions League-Qualifikation und in der Europa League brachten Saint-Gilloise 20,5 Millionen Euro aus Leverkusen für den nigerianischen Stürmer ein. Neben Höchstleistungen am Transfermarkt spiegelten sich die Erfolge aber auch am grünen Rasen wider. Nachdem in der Comebacksaison im Oberhaus der Grunddurchgang sogar am Platz an der Sonne abgeschlossen werden konnte, durfte man sich im Playoff mit dem hervorragenden 2. Endrang schmücken, was auch die Qualifikation für die internationalen Bewerbe mit sich brachte. So startete man in der Saison 2022/2023 in der Qualifikation für die UEFA Champions League, in der man sich jedoch den Glasgow Rangers geschlagen geben musste.

Richtig für Furore sorgte man dann jedoch nach dem Umstieg in die UEFA Europa League, in der man die Gruppenphase bspw. vor Union Berlin gewinnen konnte, in den K.O.-Runden die Berliner abermals schlagen konnte und erst im Viertelfinale an Bayer Leverkusen scheiterte.

Auch in der Liga konnte man die Erfolge wiederholen und abermals am 2. Platz abschließen. In der aktuellen Saison hinterließen die Belgier international wieder ihre Spuren: in der UEFA Europa League konnte man sich in einer starken Gruppe mit dem FC Liverpool, dem FC Toulouse und LASK Linz zumindest den dritten Rang und den damit verbundenen Umstieg in die UEFA Conference League sichern. Dort biss sich in der Zwischenrunde Eintracht Frankfurt die Zähne an Union aus, ehe man aber im Achtelfinale gegen Fenerbahce Istanbul die Segel streichen musste.

Das Ende des Märchens ist jedoch noch nicht ganz geschrieben, die Zeichen stehen aber auf Happy End: den Grunddurchgang konnte man mit sieben Punkten Vorsprung klar für sich entscheiden und nun startet Union - bedingt durch die Punkteteilung - mit 3 Punkten Vorsprung in die Meisterschaftsrunde. Nach den turbulenten Jahren und dem rasanten (Wieder-)Aufstieg kann man nur hoffen, dass das Engagement von Jürgen Baatzsch, Tony Bloom und allen beteiligten Personen mit knallenden Meisterschaftskorken im Stade Joseph Mariën belohnt wird.


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